Flürscheim fertigte die erste Luftpistole in Deutschland

Badisches Tagblatt vom 19. Februar 2015:

Die Flürscheim-Pistole samt Spannvorrischtung und Munition ist noch bis 8. März 2015 im Unimog-Museum zu sehen

Die Flürscheim-Pistole samt Spannvorrischtung und Munition ist noch bis 8. März 2015 im Unimog-Museum zu sehen

Plagiat als Grundstock für Gaggenauer Waffenschmiede

1878 wurde in den Eisenwerken die erste deutsche Luftpistole hergestellt – basierend auf einem US-Modell

Von Michael Wessel

Gaggenau – Die Herstellung von Luftpistolen und Luftgewehren war Ende des 19. Jahrhunderts ein wesentlicher Produktionsschwerpunkt der damaligen Eisenwerke. Zwei gekreuzte Luftpistolen wurden sogar für lange Zeit ein Warenzeichen des Gaggenauer Werkes. Luftpistolen bildeten auch die Ausgangsbasis der Waffenproduktion der Bergmann-Industriewerke im benachbarten Ottenau sowie der Diana-Werke in Rastatt.

Im Unimog-Museum ist derzeit in der Winterausstellung „Von der Hammerschmiede zum Hightech-Werk – Metallverarbeitung im Murgtal“ das erste Modell einer Gaggenauer Luftpistole samt originalem Holzkästchen, Spannvorrichtung und Munition zu sehen. Die Ausstellung endet am Sonntag, 8. März.

1878 hatte sich der damalige Eigentümer der Gaggenauer Eisenwerke, Michael Flürscheim, diese Luftpistole patentieren lassen. Fachleute sehen darin jedoch die dreiste Kopie der Luftpistole von Haviland & Gunn, für die 1872 in den USA ein Patent  erteilt wurde.

Aus Nordamerika mitgebracht

Das würde passen, denn bis 1872 hielt sich Flürscheim in den Vereinigten Staaten auf. Dort interessierte es wenig, was in Old Europe passierte. Vermutlich hatte Flürscheim ein solches Exemplar in seinem Gepäck.

Als Theodor Bergmann 1879 von Michael Flürscheim zum Folgejahr für eine Mitarbeit als Geschäftsführer gewonnen wurde, lief die Produktion von Luftpistolen also bereits. Vom Hobby-Heimatforscher Willi Echle wurde in den 1950er Jahren die Aufnahme der Produktion von Luftpistolen noch Theodor Bergmann zugeschrieben.

Als im November 1888 die Eisenwerke rückwirkend zum 1. Januar 1888 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurden, erschien ein repräsentativer Warenkatalog. Schmunzeln muss man, wenn als erste Artikel der „Abtheilung IV. Waffenproduktion“ Taschen-Pfeilbogen, Patent-Knabenpistolen und Patent-Knabenfederpistolen mit Percussion „Favorite“ angeboten werden.

Dann aber folgen bereits vier verschiedene patentierte Luftpistolen. Das erste Modell entspricht dem der Ausstellung im Unimog-Museum und hat die zusätzliche Bezeichnung „MF“, was auf Michael Flürscheim deutet.

Historisches

Die beiden weiteren Pistolen hat haben die Bezeichnungen „EG“ und „TB“ – wohl für Eisenwerke Gaggenau und für Theodor Bergmann. Das vierte Modell wird mit „P. P.“ für Patent-Präcisions-Scheibenpistole bezeichnet. Während das Modell „MF“ mit Samt-Etui, sechs Bolzen und 100 Schuss Munition vernickelt 12,50 Mark und nur lackiert acht Mark kostet, ist das Modell „EG“ bereits für sechs beziehungsweise vier Mark zu haben. Als Sonderausstattung kostet es mit Hartgummibacken und verdeckter Feder eine Mark mehr.

Zur Patent-Präcisions-Scheibenpistole heißt es: „Diese Pistole entspricht allen gerechten Anforderungen, die an eine Luftpistole gestellt werden können, indem das Laden nur mit drei Griffen geschieht und der Schuss ein äußerst präciser ist. Ebenso ist die Form und Ausstattung eine höchst elegante.“ Sie kostete allerdings vernickelt auch 25 Mark.

Angeboten werden weiterhin sieben Luftgewehre, zwei Knabengewehre und zwei „combinierte Luft- und Feuergewehre“. Zu diesen heißt es: „Diese neu construierte Sportwaffe vereinigt die Vortheile der bekannten Luftgewehre und der sog. Tesins und Floberts, indem sie sowohl als geräuschlos und sicher schiessendes Luftgewehr, wie als weittragende, ernsthafte Feuerwaffe mit Kugel- oder Schrotschuss verwendet werden kann.“

Für die Jagd wurde in zwei Qualitäten ein Repetier-Gewehr offeriert, „welches in geladenem und gespanntem Zustande ein Nachfüllen des Magazins gestattet“. Angeboten werden zu diesen Gewehre auch Mündungspfropfen und Stahlbürsten. Im Angebot der „Abtheilung IV Waffenproduktion“ war zudem ein „Scheibenkasten mit schwingendem Vogel um Schnellschiessen zu üben“.

Hinzu kamen weitere sehr unterschiedliche Scheiben. Darunter eine mit automatischer Schussanzeige. Bei einer anderen begrüßten sich zwei Herren, wenn ins Schwarze getroffen wurde.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert