Announcement: Herzlich willkommen

Herzlich willkommen auf meiner privaten Website mit Historischem zum Murgtal. Schwerpunkte sind zunächst Gaggenau mit seinen Stadtteilen, das Benzwerk, die Eisenwerke, Michael Flürscheim und Joseph Vollmer.

Im Aufbau befindet sich eine Dokumentation mit Ansichten aus dem 19. Jahrhundert von Gaggenau mit seinen Stadtteilen Bad Rotenfels und Ottenau.

Viel Spaß beim Stöbern wünscht Ihnen

Michael Wessel

 

Serie: Gaggenauer Geschichten von Jürgen Oesterle – Wie die Milch nach Gaggenau kam

Gaggenauer Geschichten von Jürgen Oesterle

2011 hat Jürgen Oesterle drei reizvolle  Bände mit interessanten Gaggenauer Geschichten herausgegeben. Dabei schöpft der Ur-Gaggenauer aus seinem reichen Erfahrungsschatz auch dank seines ausgeprägten Interesses an den Mitbürgerinnen und Mitbürgern seiner Heimatstadt. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den „Originalen“, von denen es früher offensichtlich mehr als heute gab.

In loser Folge stellen wir hier einige seiner Geschichten zu diesen originellen, eigenwillig-schrulligen oder grotesken Persönlichkeiten vor.

Der Band 3 mit dem Titel „… zu guter Letzt!“ ist noch in der Gaggenauer Buchhandlung Bücherwurm oder über www.badner-buch.de erhältlich.

Wir beginnen die Serie mit einer Leseprobe „Wie die Milch nach Gaggenau kam“. Viel Vergnügen!

Wie die Milch nach Gaggenau kam

Eine hübsche Geschichte, die so recht anschaulich den Wandel der Zeiten aufzeigt. Zu der Zeit als Gaggenau noch als kleines Dörfchen vor sich hinträumte, kaufte alle Welt ihre Milch ab Stall, will sagen bei den Bauern. So um 1900 trat dann ein Wandel ein, die hiesige Landwirtschaft befand sich auf dem Rückzug bei gleichzeitigem Anwachsen der Industrie, verbunden mit dem Zuzug auswärtiger Arbeitskräfte, der „Fabrikler.“ Es traten mehr und mehr Lieferengpässe auf, so dass sogar die Schulkinder um ihre tägliche Ration Milch bangen mussten. Da trat eine Maria Renckly (1884 – 1975) auf den Plan und fühlte sich für die Kinder verantwortlich.

Maria Renkly

Ihr Mann war bereits 1918 gestorben, es galt drei Buben zu ernähren. Daraufhin spuckte sie energisch in die Hände. Sie organisierte mithilfe von Hunden einen Milchtransport. Oben in Freiolsheim und Moosbronn sammelte sie Milch von den Bauern und bot diese hier zum Verkauf an, von Straße zu Straße. Aus der Kanne in die Kanne, dabei sei als Ergänzung gesagt, Milch in Flaschen gab es noch lange nicht.

Zuerst zogen Hunde, …

 

 

 

 

 

 

 

 

… dann ein Pferd den Milchkarren

Der nächste Schritt, den sie dann tat, war die Anschaffung eines Pferdes, nebst einer Verkaufsstation vom Leiterwagen herab. Ihr Sohn Alfred unterstützte sie, und bald eröffnete sie in der Merkurstraße (heute Konrad-Adenauer-Straße) von ihrer Wohnung aus eine Milchabgabestelle, ehe sie sich dann in Richtung Stadtmitte orientierte, und einen Laden im Haus Guggenheim zu eröffnen, das war 1934.

Später wurde ein Tempo-Dreirad für den Transport genutzt

Das Sortiment war bescheiden, neben Milch und Butter wurden Bibbeleskäs‘ und Romadur angeboten. Das Geschäft muss floriert haben, besaß man doch bald ein Tempo Dreirad und mit diesem passierte ihrem Sohn auch etwas Bemerkenswertes. Solch einen dreirädrigen Klein-Lkw sicher zu kutschieren war nicht einfach, prompt passierte es: An der Ecke vom Z. Müller verrutschten die Milchkannen, das Fahrzeug kippte um und in ungeahnten Mengen ergoss sich die Milch über die Hauptstraße, „e richdige Überschwemmung“.

Ähnlich der Stierfang-Aktion vom Metzger Lorenser gab es einen Volksauflauf, „des musch g’sähne habbe,“ und noch Wochen später waren die Milchreste im Granitbelag der Hauptstraße deutlich sichtbar. Tagesgespräch! Die Reklame gab es kostenlos obendrein. Einmal traten auch Schwierigkeiten mit unserer Obrigkeit auf, und keine geringen. Es war während des 3. Reichs und Kriegsheimkehrer berichteten von Konzentrationslagern im Osten. Dabei wurde sie denunziert und musste vor dem braunen Bürgermeister vorreiten. Dort wurde sie endgültig aufgeklärt: „Frau Renckly, s’gibt doch gar koine KZ’s, un wenn sie weiter so en granade Bledsinn rumverzehle, dann komme se au dort hie, des garantier ich ihne…“

Die Tüchtigkeit der Frau Renckly unterstreicht auch, dass sie, nachdem leider die Frau ihres Sohnes Alfred früh verstarb, sie sich dessen fünf Kindern annahm und sie großzog. Es gelang ihr sogar 1953 mit ungebremstem Eifer ein Eckhaus in der Goethestraße zu erwerben. Sie baute es um, und fortan wirkte sie dort bis 1961, freundlich und lieb. So wurde sie 91 Jahre alt, man höre und staune, wie lautet der Werbeslogan? „die Milch machts…!“

August Völkle übernahm dann den Laden. Was ist nun aus ihren Enkeln, die sie unter ihre Fittiche genommen hatte, geworden? Der Älteste, der Eberhard, machte bei Simon Sinzinger eine Optikerlehre und lebt heute, nachdem er sich zur Ruhe gesetzt und sein Geschäft verkauft hat, in der Schweiz. Die Tochter Eva ist Ärztin geworden und praktiziert bei Hannover. Ihre Schwester Christa arbeitet bei der Jugendgerichtshilfe in Berlin. Bruder Peter, der sich im Fernsehgeschäft Wingerath ausbilden ließ, besitzt in Rheinstetten ein eigenes Geschäft. Wolfgang hatte beim Malerbetrieb Bertold Hauck gelernt und nennt heute einen umfangreichen Malerbetrieb in Hamburg sein eigen. Hut ab! Darauf kann sein Vater Alfred (1911 – 78) stolz sein, aber mehr noch die unermüdliche Oma Maria. Ihr Geist hat fürwahr Früchte getrage.

Alois Jaufmann mit einem Butterblock

Es gab weitere Milchgeschäfte hier, so das von Frau Krauss im Auweg und das von Frau Fritz in der Theodor Bergmannstraße. Ab 1940 wirkte der Molkereifachmann Alois Jaufmann mit seiner Familie am Bahnhofsplatz, daneben war er noch bei der Milchsammelstelle des Kreises in Rastatt beschäftigt. Seine hübschen Töchter sind den alten Gaggenauern noch ein Begriff.

 

Milchsammelstelle

Als 1954 die August-Schneider-Straße bis zur Bergmannstraße weitergeführt wurde, stand sein Haus im Wege und musste weichen. Aber in der Bahnhofspassage, ganz in der Nähe, konnte er sein Geschäft weiterführen, jetzt sogar mit vergrößertem Warenangebot an Lebensmitteln. Am Schluss wurde der Laden von Sohn Heinz weitergeführt, und zwar bis 1988. Dann übernahm Heinz die Bahnhofsgaststätte, und dort wirkte er bis zu seiner Pensionierung, allen Zugreisenden, Frühaufstehern und Gaggenauern bestens bekannt.

Nachtrag: Heinz ist leider zwischenzeitlich verstorben

Michael Flürscheim und sein Bürgergeld

Gaggenauer Industrieller Michael Flürscheim hat bereits um 1888 die Vision eines Bürgergeldes in ein „modernes Märchen“ verpackt.

See English version below

Michael Flürscheim (1844 – 1912) entwickelte und veröffentlichte seine ersten sozialreformerischen Idee bereits in den 1880er Jahren als Inhaber der Eisenwerke Gaggenau –  Repro Michael Wessel

Von Michael Wessel

Gaggenau –Das Bürgergeld hat in Deutschland am 1. Januar 2023 das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld abgelöst. Wirklich neu ist die Idee aber nicht. Schon 1888 veröffentlichte der Gaggenauer Mitinhaber der Eisenwerke Michael Flürscheim seinen utopischen Roman „Die Galoschen des Glücks – Deutschland in 100 Jahren“, in dem er unter anderem ein besonderes Bürgergeld für möglich hält. Faszinierend sind auch weitere Ideen, die der erfolgreiche Unternehmer entwickelte. Um sich ganz der Umsetzung seiner Ideen zu widmen, wandelte er ebenfalls im Jahr 1888 die Eisenwerke in eine AG um und verkaufte seine Anteile.

In den fünfzehn Jahren von 1873 bis 1888 hatte Flürscheim die Eisenwerke von einer Werkstätte mit 40 Mitarbeitern – ab 1880 auch dank der Unterstützung seines späteren Teilhabers Theodor Bergmann – zu einem bedeutenden Industriebetrieb mit über 1000 Mitarbeitern entwickelt. Beispielhaft waren die sozialen Leistungen in den Eisenwerken wie Arbeiterkrankenkasse, Werkskantine, Fortbildungsmaßnahmen, Unterstützung beim Hausbau. Der Genossenschaftsgedanke faszinierte den Unternehmer so sehr, dass er einen Konsumverein gründete, der den Mitarbeitern preiswerte Nahrungsmittel und andere Artikel des täglichen Bedarfs anbieten konnte. Aber als „Sozialist der Tat“, wie er sich selbst bezeichnete, hielt es Flürscheim nicht länger in Gaggenau. Er wollte insbesondere seine Ideen zur Bodenreform und zum Genossenschaftswesen an anderen Orten umsetzen.

Mit seinen Visionen von einer besseren Zukunft wollte Flürscheim nicht nur mit Vorträgen in elitären Kreisen und mit dicken Büchern die Gelehrten erreichen. Er wollte auch unbedingt „das einfache Volk“ mit Zeitungsartilkeln für seine Ideen begeistern. Daher schrieb er beispielsweise verschiedene Beiträge für den Badischen Landboten.  Darin stellte er in den Jahren 1886 und 1887 seine damals teilweise utopischen Zukunftsvisionen zu Deutschland in einhundert Jahren vor. Diese verpackte er in ein „modernes Märchen“. In ihm erscheinen einem Doktor Ehrhardt „in einem tollen Traum“ ein paar Galoschen, die nach dem Reinschlüpfen Wünsche erfüllen. Und siehe da: Auch nach dem Aufwachen erfüllen ihm seine eigenen Galoschen spontan den Wunsch nach mehreren Gläsern Bier. Doktor Ehrhardt besinnt sich dann aber schnell auf den anspruchsvolleren Wunsch, zu erfahren, wie Deutschland in 100 Jahren aussieht und wie die Menschen miteinander umgehen.

Und siehe da, es gibt in 100 Jahren ein aktives und sogar passives Frauenwahlrecht, Minuszinsen, Staubsauger sowie Fertighäuser für Arbeiter. Und es gibt auch ein Bürgergeld von 1000 Goldmark jährlich für jede Familie ohne Bedürftigkeitsprüfung. Aber nur jede dritte Familie nimmt laut Roman dieses zu Gunsten der Bedürftigen in Anspruch, wodurch diese letztlich 3000 Goldmark erhalten, was annähernd dem Einkommen der „besser Gestellten“ entspricht. Möglich wird diese Auszahlung unter anderem durch hohe Pachteinnahmen des Staates, dem inzwischen der Boden weitgehend gehört. Aber auf der anderen Seite sind auch die staatlichen Ausgaben drastisch gesunken durch die Abschaffung des Militärs und der Zollbeamten, durch minimale Gerichtsverfahren und die Übernahme bisheriger öffentlicher Funktionen durch Ehrenamtliche.

Doktor Ehrhardt ist auch verwundert, dass sich die Bevölkerung Deutschlands mit angenommenen 75 Millionen in 100 Jahren nicht wesentlich vermehrt hat und bekommt zur Erklärung: „Gerade in Folge des Wohlstands hat keine schnellere Vermehrung stattgefunden; denn der Wohlstand schafft Bildung, schafft Sinn für höhere Lebensgenüsse und die Kindererziehung wurde in Folge dessen eine vom Verstand kontrollierte, keine ungeregelte, dem blinden Zufall überlassene.“

Am Ende des Romans wird erklärt, dass Doktor Ehrhardt nur in einen zweiten Traum gefallen war. Überrascht war er dann, als er beim Studium der Tageszeitung einen Aufruf von Michael Flürscheim zur Gründung eines Vereins mit dem Ziel der Verstaatlichung von Grund und Boden las. Unterzeichnet war dieser von Michael Flürscheim, Fabrikbesitzer in Gaggenau. Das Werben für seine Ideen hatte Flürscheim offensichtlich gut verpackt.

Betrachtet man das Lebenswerk von Michael Flürscheim, dann hat er Ende des 19. Jahrhunderts bewiesen, dass es möglich ist, auch als außergewöhnlich sozial engagierter Unternehmer besonders erfolgreich zu sein. Als genialer Denker und Utopist machte er sich  durch seine Bücher, Schriften und Vorträge international einen Namen als Kämpfer für die Bodenreformbewegung und das Genossenschaftswesen . Sein enormes persönliches und finanzielles Engagement in aller Welt war letztlich nicht von Erfolg gekrönt. Seine fünfzehn Gaggenauer Jahre waren jedoch für die industrielle Entwicklung des Murgtals ein Glücksfall.

Mehr zu Michael Flürscheim

(wess) – In dem 2014 erschienenen Buch „Michael Flürscheim – Industrieller, Sozialökonom, Utopist“ wird das außergewöhnliche Lebenswerk des ehemaligen Gaggenauer Unternehmers ausführlich beschrieben und sein utopischer Zukunftsroman „Die Galoschen des Glücks – Deutschland in 100 Jahren“ in voller Länge wiedergegeben. Erhältlich ist das Werk mit 150 Seiten zum Sonderpreis von 10 Euro im Unimog-Museum, in der Gaggenauer Buchhandlung Bücherwurm und über www.buchundbild.de mit Suchbegriff Flürscheim. Eine Lesehilfe mit den wesentlichen Stichworten zum Roman sowie eine im Badischen Tagblatt 2012 erschienene Biografie von Michael Flürscheim ist zudem auf www.murgtal-chronik.de zu finden.

Erstveröffentlichung in den Badischen Neuesten Nachrichten und im Badischen Tagblatt vom 4. Januar 2023

Michael Flürscheim and his citizen’s income

Gaggenau industrialist had the vision of a citizen’s income as early as 1888. 

By Michael Wessel
Gaggenau -The citizen’s income replaced unemployment benefit II and social benefit in Germany on January 1, 2023. However, the idea is not really new. As early as 1888, Michael Flürscheim, co-owner of the ironworks in Gaggenau, published his utopian novel „Die Galoschen des Glücks – Deutschland in 100 Jahren“ (The Galoshes of Happiness – Germany in 100 Years), in which he considers, among other things, a special citizen’s income to be possible. Other ideas developed by the successful entrepreneur are also fascinating. In order to devote himself entirely to implementing his ideas, he also converted the ironworks into a joint stock company in 1888 and sold his shares.
In the fifteen years from 1873 to 1888 Flürscheim had developed the ironworks from a workshop with 40 employees – from 1880 also thanks to the support of his later partner Theodor Bergmann – into an important industrial enterprise with over 1000 employees. The social benefits in the ironworks were exemplary, such as the workers‘ health insurance fund, the works canteen, training measures and support for house building. The cooperative idea fascinated the entrepreneur so much that he founded a consumer association that could offer the employees cheap food and other articles of daily use. But as a „socialist of action“, as he called himself, Flürscheim could no longer stay in Gaggenau. He particularly wanted to implement his ideas on land reform and cooperatives in other places.
With his visions of a better future, Flürscheim not only wanted to reach the scholars with lectures in elite circles and thick books. He was also determined to inspire „the common people“ with newspaper articles about his ideas. Therefore, for example, he wrote various articles for the Badischer Landboten.  In these, in 1886 and 1887, he presented his then partly utopian visions of the future of Germany in one hundred years.
And lo and behold, in 100 years there will be active and even passive women’s suffrage, minus interest rates, hoovers as well as prefabricated houses for workers. And there is also a citizen’s allowance of 1000 gold marks a year for every family without means testing. But according to Roman, only every third family makes use of this for the benefit of the needy, which means that they ultimately receive 3000 gold marks, which is roughly equivalent to the income of the „better off“. This payment is made possible, among other things, by high rental income from the state, which now largely owns the land. But on the other hand, state expenditure has also fallen drastically due to the abolition of the military and customs officials, minimal court cases and the takeover of previous public functions by volunteers.
Doctor Ehrhardt is also surprised that Germany’s population, assumed to be 75 million, has not increased significantly in 100 years and is given the following explanation: „It is precisely in consequence of prosperity that no more rapid increase has taken place; for prosperity creates education, creates a sense of higher pleasures in life, and the upbringing of children has consequently become one controlled by reason, not an unregulated one left to blind chance.“
At the end of the novel it is explained that Doctor Ehrhardt had only fallen into a second dream. He was then surprised when, while studying the daily newspaper, he read an appeal by Michael Flürscheim to found an association with the aim of nationalising land. It was signed by Michael Flürscheim, a factory owner in Gaggenau. Flürscheim had obviously packaged the promotion of his ideas well.
Looking at Michael Flürscheim’s life’s work, he proved at the end of the 19th century that it is possible to be particularly successful even as an exceptionally socially committed entrepreneur. A brilliant thinker and utopian, he made a name for himself internationally through his books, writings and lectures as a fighter for the land reform movement and cooperativeism . His enormous personal and financial commitment all over the world was ultimately not crowned with success. However, his fifteen years in Gaggenau were a stroke of luck for the industrial development of the Murg valley.
The book „Michael Flürscheim – Industrialist, Social Economist, Utopian“, published in 2014, describes the extraordinary life’s work of the former Gaggenau entrepreneur in detail and reproduces his utopian novel about the future „Die Galoschen des Glücks – Deutschland in 100 Jahren“ in full. The 150-page work is available at a special price of 10 euros at the Unimog Museum, at the Gaggenau bookshop Bücherwurm and at www.buchundbild.de with the search term Flürscheim. A reading aid with the essential keywords for the novel and a biography of Michael Flürscheim published in the Badisches Tagblatt in 2012 can also be found at www.murgtal-chronik.de.

Buchvorstellung: Michael Flürscheim – Industrieller – Sozialökonom – Utopist

Fluerscheim Titel 300Im Dezember 2014 erschien das Buch „Michael Flürscheim – Industrieller – Sozialökonom – Utopist“. Es hat 150 Seiten und ist zum Sonderpreis von 10 Euro im Unimog-Museum, in der Gaggenauer Buchhandlung Bücherwurm und über www.buchundbild.de erhältlich.

Hier zur Einstimmung der Rückentext:

Betrachtet man das Lebenswerk von Michael Flürscheim (* 1844 in Frankfurt am Main, + 1912 in Berlin), dann hat er vor mehr als hundert Jahren bereits bewiesen, dass es möglich ist, als außergewöhnlich sozial eingestellter Unternehmer besonders erfolgreich zu sein. Hat er doch von 1873 bis 1888 in nur fünfzehn Jahren die Eisenwerke Gaggenau von 40 Mitarbeitern – zeitweise gemeinsam mit Theodor Bergmann – zu einem international bekannten Industrieunternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern entwickelt.

Als genialer Denker und Utopist machte er sich durch seine Bücher, Schriften und Vorträge international einen Namen als Kämpfer für die Bodenreformbewegung.

Seine utopischen und teilweise amüsanten Vorstellungen, wie Deutschland in hundert Jahren – somit um 1990 – aussehen könnte, hat er in einem „modernen Märchen“ entwickelt – der Schwerpunkt dieser Veröffentlichung.

Das enorme persönliche und finanzielle Engagement von Michael Flürscheim für die Bodenreform und den Genossenschaftsgedanken war allerdings letztlich nicht von Erfolg gekrönt. Seine fünfzehn Gaggenauer Jahre waren jedoch für die industrielle Entwicklung des Murgtals ein Glücksfall.

Biographie Michael Flürscheim – Industriepionier und Sozialreformer

Für die industrielle Entwicklung von Gaggenau und dem Murgtal war es von ganz entscheidender Bedeutung, dass der Frankfurter Bankkaufmann Michael Flürscheim mit seinem aus Mannheim stammenden Kompagnon Franz Korwan im Februar 1873 für 155.000 Gulden das hiesige Hammerwerk von Ludwig Klehe kaufte und es mit seinem späteren Teilhaber Theodor Bergmann zu einem Industriebetrieb von Weltgeltung entwickelte.

Als Sohn einer jüdischen Frankfurter Kaufmannsfamilie erlernte Flürscheim das Bankgeschäft und suchte ab 1867 in den USA sein Glück, das er auch fand, denn rasch kam er zu Ansehen und Reichtum. 1872 kehrte er nach Deutschland zurück und kaufte im Februar 1873 das Gaggenauer Hammerwerk.

Michael Flürscheim                           Stadtarchiv

Lange Zeit war unklar, was ihn wohl gerade hier zu Investitionen bewogen hat. Gab es doch in der „Gründerzeit“ nach dem gewonnenen Krieg gegen Frankreich von 1870/71 Möglichkeiten genug, Geld gewinnbringend anzulegen.

 

Amalie Flürscheim, geb. Gerstle          Stadtarchiv

 

 

 

Neue Recherchen brachten das Ergebnis, dass Flürscheim wohl der Liebe wegen ins Murgtal kam, denn bereits am 20. Oktober 1873 heiratete er in Karlsruhe Amalie Gerstle, deren Eltern in der Fächerstadt gemeldet waren.

 

 

 

 

Hier zum Weiterlesen klicken: Weiterlesen

1891 – Älteste Ansichtskarte des Murgtals?

AK Rotenfels 1891 - BeuchertBeim Treffen der Postkartensammler der Region wurde die Frage aufgeworfen, welches wohl die älteste Ansichtskarte aus dem Murgtal ist. Bisher hält diesen Spitzenplatz eine Karte mit dem Motiv des Badhauses in Bad Rothenfels, die dort am 24. August 1891 geschrieben und aufgegeben wurde. Nur wenige Tage jünger ist eine Karte aus Gernsbach.

Vielleicht existieren aber auch noch ältere Ansichtskarten?

Hinweise bitte an Michael Wessel, Tel. 07225 97 00 349 oder wessel-gaggenau@t-online.de

Wir hoffen, dass es Laufe des Jahres auch wieder Treffen der Postkartensammler geben wird.

 

Neuauflage: „Das Murgthal“ von Jägerschmid aus dem Jahr 1800

Das Standardwerk aus dem Jahr 1800 ist wieder erschienen

Geschichtliche Zeitreise durch das Murgtal anno 1800

Neuauflage eines heimatgeschichtlichen Standardwerkes

Murgtal – Wer sich für die Geschichte des Murgtals interessiert, dem begegnet immer wieder das bereits im Jahr 1800 erschienene Buch „Das Murgthal – insbesondere in Hinsicht auf Naturgeschichte und Statistik“. Geschrieben hat es der Forstmann Karl Friedrich Viktor Jägerschmid, der sich zuvor einige Jahre im Murgtal aufhielt und seine interessanten Beobachtungen niederschrieb. Auf über 200 Seiten stellt er das Murgtal vom Ausfluss der drei Quellen am Kniebis bis zur Mündung der Murg in den Rhein vor. Jetzt ist eine Neuauflage erschienen.

In seinem Vorwort wird die Begeisterung von Jägerschmid für das Murgtal deutlich, wenn er beispielsweise schreibt: „Wer die Schweizerischen Gegenden kennt, und das prächtige Murgthal hauptsächlich im Frühling bereist, wird finden, daß dieses im Kleinen vorstellt, was jene im Großen sind.“ Vermutlich hat er mit dieser Formulierung dazu beigetragen, dass das Murgtal auch als die Badische Schweiz bezeichnet wird. Und weiter schreibt er: „Verhältnisse bestimmten mich, in dieser vortreflichen Gegend geraume Zeit zu leben, mein Beruf führte mich allenthalben umher, und ich säumte nicht, jeden mir interessanten Gegenstand, der mir vorkam, zu untersuchen und aufzuzeichnen.“ Heute können wir uns glücklich schätzen, dass sich Jägerschmid mit so großer Akribie dieser Aufgabe widmete.

Jägerschmid nimmt seine Leser mit auf eine gedankliche Wanderung „von 15 Stunden“ durch das Tal und beschreibt dabei, was ihm jeweils in den einzelnen Ortschaften bemerkenswert erschien, wie sie entstanden, wie viele „Seelen“ dort leben, wie viel Vieh sie haben, welcher Beschäftigung sie überwiegend nachgehen. So erfahren wir gleich zu Beginn, dass vor Baiersbronn nach dem Zusammenkommen der Roth- und Weismurg mit dem Forbach der noch kleine Fluss den Namen Murg annimmt.

Seinem Werk hat Jägerschmid auch eine „Karte des Murgthals und der benachbarten Gegend“ beigegeben

Besonders ausführlich beschreibt dabei Jägerschmid alle Erwerbsquellen und Einrichtungen, die im Zusammenhang mit der Forstwirtschaft stehen wie Schwallungen, Sägemühlen oder Kohlenmeiler, Pech- und Schwefelbrennereien. In diesem Zusammenhang widmet Jägerschmid auch ein umfangreiches Kapitel dem Holzhandel und der Flößerei der Murgschifferschaft. Auch ein Nutzholzmagazin in Rotenfels wird voller Begeisterung vorgestellt.

Dem Hobby-Heimatforscher Michael Wessel war es ein Anliegen, dass dieses wertvolle heimatgeschichtliche Werk wieder einem größeren Leserkreis zugänglich gemacht wird und dafür fand er mit Dieter Piduch, Druck und Verlag Badner-Buch, einen Mitstreiter. Um sicher zu sein, dass es auch jüngeren Lesern leichtfällt, die Ausführungen von Jägerschmid zu lesen, wurde der ursprünglich in Fraktur gehaltene Text aufwändig in einem modernen gut lesbarem Schrifttyp gesetzt. Unterstützung fanden die beiden beim Zweckverband „Im Tal der Murg“, und daher ziert deren Logo auch den Titel der Neuerscheinung, die jetzt gerade noch rechtzeitig vor dem Weihnachtsfest erscheint.

Erhältlich ist der Nachdruck „Das Murgthal“ von Karl Friedrich Viktor Jägerschmid für 18,90 Euro in der Buchhandlung Bücherwurm in Gaggenau und in der Bücherstube Katz in Gernsbach sowie im Unimog-Museum.

Teil einer Reihe „Liebenswertes Murgtal“

Piduch und Wessel haben eine Schriftenreihe „Liebenswertes Murgtal“ konzipiert. Darin sollen längst vergriffene Heimatbücher wieder einem breiteren Leserkreis zugänglich gemacht werden. Ein Buch der Eisenwerke Gaggenau von 1891 oder das Heimatbuch zur Eingemeindung von Ottenau aus dem Jahr 1935 sind bereits erschienen. In dieser Reihe fanden auch Neuerscheinungen wie die drei Bände mit „Gaggenauer G’schichten“ von Jürgen Oesterle  oder „Die Ebersteiner“ von Cornelia Zorn erfreulicherweise großes Interesse und sind daher weitgehend vergriffen. Alle diese Veröffentlichungen werden jedoch im ersten Halbjahr 2022 wieder nachgedruckt.

Landesverein Badische Heimat – Regionalgruppe Rastatt

Wenn Sie sich für die Geschichte unserer Region interessieren, dann sollten Sie sich über die Ziele und Aufgaben des Landesvereins Badische Heimat informieren. Ein umfangreiches Portrait ist in Wikipedia unter http://de.wikipedia.org/wiki/Badische_Heimat oder deren Website http://www.badische-heimat.de zu finden. 

Ansprechpartner der Regionalgruppe Rastatt ist Martin Walter, Leiter des Kreisarchivs Rastatt, Tel. 07222 381 3581, E-Mail; rastatt(at)badische-heimat.de

Landesverein BADISCHE HEIMAT e.V. – Regionalgruppe Rastatt

Jahresprogramm 2023

18. Januar: Peter Mohr: Die Mittelbadische Eisenbahngesellschaft (MEG) in Bild und Film

22. Februar: Roland Seiter: Erlebnis Schwarzwaldhochstraße zu Großvaters Zeiten

15. März: Dr. Johannes Werner: Die badische Malerin Amalie Bensinger

19. April: Dr. Michael Braun: Die europäische Friedensordnung nach dem Ersten Weltkrieg

17. Mai: Luisa Lehnen, M.A.: Ein Ort der Willkür und Entrechtung: Das badische Konzentrationslager Kislau 1933 bis 1939

 21. Juni: Martin Walter: Zur Entstehungsgeschichte der Murgtalbahn

 19. Juli: Cindy Blum und Serge Rieger: Badisch-Elsässischer Liederabend

SOMMERPAUSE

 18. Oktober: Sigrid Gensichen, M.A: Markgräfin Franziska Sybilla Augusta von Baden-Baden (1675–1733): Kunstförderung im Spannungsfeld von Baden, Böhmen und Europa

15. November: Joachim Krieg: Die Rastatter Schlosskirche – eine Bilderreise hinter die Kulissen

13. Dezember: Thomas Eck: Libellen in unserer Heimat

Die Vorträge finden – sofern nicht abweichend angegeben – im Kreistagssaal (Raum D 0.13) des Landratsamts (Am Schlossplatz 5) statt. Der Zugang erfolgt über den Haupteingang.

Der Eintritt ist frei. Beachten Sie bitte die Ankündigungen in der Presse!

70 Jahre Mercedes-Benz Unimog – Auslieferung ab 4. Juni 1951

Ausschnitt aus einem Unimog-Prospekt von 1951

Erste Auslieferung der Gaggenauer Unimog am 4. Juni 1951

Vor 70 Jahren, am 4. Juni 1951, wurden die ersten in Gaggenau montierten Unimog an Kunden ausgeliefert. Bereits einige Tage vorher, am 25. Mai, waren zwei Unimog – noch für den Eigenbedarf als Vorführfahrzeuge – vom Band gelaufen. Dies war für das Gaggenauer Benzwerk besonders bedeutungsvoll, denn es sollten 51 Jahre folgen, in denen der Unimog hier teilweise in sehr großen Stückzahlen gefertigt wurde. Ein von Mitarbeitern ersonnener Spruch lautet: Gaggenau isch Unimog und Unimog isch Gaggenau!

Nachdem im Oktober 1950 die damalige Daimler-Benz AG mit der Unimog-Entwicklungsgesellschaft vertraglich vereinbart hatte, dass der Unimog ab 1951 in Gaggenau gebaut wird, ging alles sehr schnell. Fünf Mitarbeiter wurden im November dafür gewonnen, sich bei der Werkzeugmaschinenfabrik Gebrüder Boehringer in Göppingen zeigen zu lassen, wie der kleine Alleskönner bis dahin montiert wurde. Parallel warb man bei den dortigen Mitarbeitern für einen Wechsel nach Gaggenau. Etwa 30 nahmen das Angebot an und wechselten ins Murgtal.

Während bei Boehringer doch noch die letzten Unimog montiert wurden, begann im Januar 1951 der Umzug ins Murgtal „mit Mann und Maus“. Im Gegensatz zur Werkzeugmaschinenfabrik Gebrüder Boehringer, die die Unimog-Montage vor allen Dingen übernommen hatten, um nach dem Zweiten Weltkrieg nicht demontiert zu werden, hatten die Gaggenauer Benzler jahrzehntelanges Fachwissen durch die Montage großer Lastwagen.

In Gaggenau freute man sich über das neue Geschäft, denn die Lastwagenproduktion war nicht ausgelastet, was zur Folge hatte, dass Entlassungen notwendig geworden waren. Trotzdem wurde von den Mitarbeitern der Lastwagenmontage gelästert, wenn einer der Kollegen zur „Konservendosen-Montage“ wechselte.

Unimog in alle Welt

 

In einem 20-Seiten starken Unimog-Prospekt wurden 1951 die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten – auch außerhalb der Land- und Forstwirtschaft – vorgestellt

Aber auch im Vertrieb konnten die Unimog-Mitarbeiter von den Erfahrungen der Kollegen im Lastwagenbereich profitieren. Es ist aus heutiger Sicht beeindruckend, in wie vielen Länder auf der ganzen Welt der Unimog schon 1951 und 1952 vorgeführt wurde. Dies wird auch an den Prospekten der Anfangsjahre deutlich, die es außer in Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch sogar in türkischer Sprache gibt.

Mit dem Unimog begann 1951 auch wieder die Getriebefertigung in Gaggenau

Welch ein Segen die Übernahme der Unimog-Fertigung für Gaggenau letztlich war, wurde erst viele Jahre später deutlich: Durch die Unimog-Montage war es im Benzwerk auch wieder notwendig geworden, eine Getriebemontage aufzubauen, denn vergleichbare Getriebe gab es am Markt nicht. Anders sah es bei den Lastwagen-Kollegen aus. Hier wurden Fremdgetriebe eingebaut, denn im Dritten Reich war im Zuge der Vereinheitlichung der Nutzfahrzeuge die Getriebemontage in Gaggenau aufgegeben worden. Nach dem Anlauf der Montage von Unimog-Getrieben wurde bald der nächste Schritt getan und es wurden auch wieder Getriebe für Gaggenauer Lastwagen selbst produziert. Heute ist das Gaggenauer Werk Kompetenzzentrum für Schaltgetriebe im Daimler-Konzern. Die Getriebefertigung ist somit ein ganz wesentliches Standbein.

Schaffe, schaffe, Häusle baue

Die Übernahme der Unimog-Fertigung bescherte Gaggenau auch einen kleinen Bauboom, denn einige der meist aus dem Schwabenland stammenden Neubürger ließen sich häuslich nieder, bauten ein Eigenheim. Dabei half natürlich der Unimog. Sei es beim Ausheben der Baugrube oder beim Herbeischaffen von Sand und Kies.

Text und Repros: Michael Wessel