Biographie Michael Flürscheim – Industriepionier und Sozialreformer

Für die industrielle Entwicklung von Gaggenau und dem Murgtal war es von ganz entscheidender Bedeutung, dass der Frankfurter Bankkaufmann Michael Flürscheim mit seinem aus Mannheim stammenden Kompagnon Franz Korwan im Februar 1873 für 155.000 Gulden das hiesige Hammerwerk von Ludwig Klehe kaufte und es mit seinem späteren Teilhaber Theodor Bergmann zu einem Industriebetrieb von Weltgeltung entwickelte.

Als Sohn einer jüdischen Frankfurter Kaufmannsfamilie erlernte Flürscheim das Bankgeschäft und suchte ab 1867 in den USA sein Glück, das er auch fand, denn rasch kam er zu Ansehen und Reichtum. 1872 kehrte er nach Deutschland zurück und kaufte im Februar 1873 das Gaggenauer Hammerwerk.

Michael Flürscheim                           Stadtarchiv

Lange Zeit war unklar, was ihn wohl gerade hier zu Investitionen bewogen hat. Gab es doch in der „Gründerzeit“ nach dem gewonnenen Krieg gegen Frankreich von 1870/71 Möglichkeiten genug, Geld gewinnbringend anzulegen.

 

Amalie Flürscheim, geb. Gerstle          Stadtarchiv

 

 

 

Neue Recherchen brachten das Ergebnis, dass Flürscheim wohl der Liebe wegen ins Murgtal kam, denn bereits am 20. Oktober 1873 heiratete er in Karlsruhe Amalie Gerstle, deren Eltern in der Fächerstadt gemeldet waren.

 

 

 

 

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Betriebsübernahme im Jahr 1873

Außer der Liebe sprachen für Gaggenau, das gerade mal 1302 Einwohner hatte, sicher auch die Wasserkraft der Murg, der Holzreichtum des Tales, das Vorhandensein von potenziellen Arbeitskräften und natürlich die 1869 vollendete Murgtalbahn von Rastatt bis Gernsbach.

Im Rastatter Wochenblatt war am 10. Juni 1873 zu lesen: „Einem geehrten Publikum machen wir zur ergebenen Anzeige, daß wir das früher unter dem Namen Louis Görger betriebene Eisenwerk in Gaggenau bei Rastatt bestehend aus Eisengießerei, mechanischer Werkstätte, Hammerwerk und Zaineisen-Walzwerk seit Februar diesen Jahres übernommen haben und mit ungeschwächten Mitteln fortsetzen. Durch Vergrößerung unserer Baulichkeiten und Maschinen sind wir in den Stand gesetzt, in größerem Maßstabe zu arbeiten. (…)“

Korwan und Flürscheim gingen offensichtlich mit großem Elan an ihr Werk, denn bereits zur Jahresmitte 1873 erhielten sie in Baden und Bayern Patente „für Vorrichtungen an Gasbrennern“, die diese zu Selbstzündern machten. In einer Beurteilung des Patents war zu lesen: „Dieser Apparat ist besonders für städtische Beleuchtung und öffentliche Gebäude anwendbar, wo man vorzugsweise die gewöhnliche Entzündung jedes einzelnen Brenners mit der Hand vermeiden will.“ Es ist nicht ausgeschlossen, dass Flürscheim derartige Apparate bereits in Amerika kennen gelernt hatte.

Franz Korwan erkrankte noch im Gründungsjahr, schied im Dezember 1873 aus und starb kurze Zeit später. Zunächst leitete Flürscheim die Eisenwerke alleine weiter.

 

Schwere Arbeit auf insgesamt 60 000 Quadratmetern Produktionsfläche. Die Eisenwerke in Gaggenau gegen Ende des 19. Jahrhunderts

Entgegen früherer Aufzeichnungen von Willi Echle erhielt bereits Michael Flürscheim vom Kaiserlichen Patentamt 1878 ein Patent für eine Luftpistole und im Folgejahr zwei weitere für „Verbesserungen an Luftpistolen“. Damit ist zwar Gaggenau das älteste Werk in Deutschland, in dem Luftpistolen entwickelt wurden; Fachleute sehen in der Pistole von Flürscheim jedoch die dreiste Kopie einer bereits 1872 in den USA patentierten Waffe. Vermutlich hatte sie Flürscheim dort vor seiner Rückkehr nach Deutschland erworben.

Luftpistolen und Zwergmotoren

Zumindest die Entwicklung von Luftpistolen lief bereits, als Flürscheim 1880 Theodor Bergmann – zuvor Teilhaber einer Konstanzer Herdfabrik – als Direktor einstellte und 1884 zum Teilhaber machte. Bergmann war es aber, der die Luftpistolen mit Unterstützung von Waffenmeistern aus Suhl verbesserte – bis hin zur Entwicklung von Maschinengewehren.

Schutzmarke der Eisenwerke Gaggenau

Zwei gekreuzte Luftpistolen wurden bis Anfang des 20. Jahrhunderts Markenzeichen der Eisenwerke.

Die Produktionsmöglichkeiten wurden nach Bergmanns Eintritt um ein Emaillierwerk, eine Stanzerei, eine Vernickelungsanstalt, eine Buchdruckerei, eine Schreinerei und eine Kunstgießerei erweitert. Das Badenia-Fahrrad rundete die Produktpalette ab.

Theodor Bergmann

Mit Bergmann hatte sich Flürscheim einen Technik-Begeisterten ins Werk geholt, der allem Neuen gegenüber aufgeschlossen war, was sich in Erfinder-Kreisen schnell herumsprach. Das Werk firmierte bald als „Etablissement für Neuheiten“ und konnte zahlreiche internationale Auszeichnungen vorweisen. Die Mitarbeiterzahl wuchs allein von 1880 bis 1886 von 150 auf 608.

Großaufträge für Reklameschilder aus Emaille für Stollwerk, Maggi, Odol, Suchard und Tobler und die Produktion von „Waren-Selbstverkäufern“ – heute Automaten genannt -, führen zu einer rasanten Umsatzentwicklung. Als 1888 das Werk in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, war die Produktpalette fast unüberschaubar und reichte im alphabetischen Verzeichnis auf über 200 Seiten von der Aladinlampe bis zum Zwergmotor. Auf 60000 Quadratmetern wurde von mehr als 1000 Mitarbeitern mit über 500 Maschinen produziert. Über 100 Patente waren angemeldet.Theodor Bergmann wurde alleiniger Direktor der neuen AG und Michael Flürscheim schied aus. Er widmete sich der Verbreitung seiner sozialreformerischen Ideen – insbesondere zur Bodenreform.

„Abgesicherte Arbeiter bringen gute Leistung“

Flürscheims soziales Wirken als Unternehmer in Gaggenau von 1873 bis 1888

Bereits ein Jahr, nachdem Michael Flürscheim das Gaggenauer Hammerwerk gekauft hatte, wurde 1874 deutlich, dass er ein besonders sozial eingestellter Unternehmer ist. Mit drei sozialen Einrichtungen macht er gleich auf sich aufmerksam: Er gründet eine Arbeiterkrankenkasse für alle Arbeiter und Beamten mit gestaffeltem Beitragssatz. Dafür wird ihnen im Krankheits- oder Unglücksfall zumindest für 16 Wochen Unterstützung gewährt.

Gesamtansicht der Eisenwerke um 1890

 

Flürscheims Leitgedanke ist: „Zufriedene, finanziell abgesicherte Arbeiter bringen gute Leistung.“ Hierzu pflegt er mit dem englischen Sozialisten Robert Owen einen regen Gedankenaustausch. Die aufkommende Sozialdemokratie ist aber Flürscheim zumindest zunächst suspekt, ihre Ideologie stößt ihn ab. Er versteht sich als praktischer Sozialist, der seine Ideen sofort umsetzen will. Religionen betrachtet er in dieser Zeit noch als Irrlehren – dies schließt den jüdischen Glauben seines Elternhauses mit ein. Er ist dennoch nicht ungläubig und sieht eine „Urmacht in der Natur, wo höhere Gewalten herrschen“. Für ihn gilt: „Verehre die große Naturkraft durch die edle Tat!“

Rückblende

Michael Flürscheim wohnt zunächst mit seiner Frau Amalie und den Kindern Bernhard (geboren 1874), Marie-Sophie (1875), Hedwig (1877) und Helena (1878) sowie seinen Schwiegereltern in Gaggenau. Er nimmt am politischen Geschehen teil und wird Ende 1883 in den Gemeinderat gewählt. Nach seinem Umzug nach Baden-Baden scheidet er Anfang 1886 jedoch zwangsläufig aus diesem Gremium wieder aus.

Es ist überliefert, dass er häufig zu Fuß den Weg von Baden-Baden über die Wolfsschlucht und den Luisenbrunnen nach Gaggenau genommen hat, und so wird ein Waldweg im Volksmund heute noch nach ihm benannt.

Entscheidenden Einfluss auf das weitere Wirken von Michael Flürscheim hatte Anfang der 1880er Jahre sein Hausarzt Dr. Theodor Stamm, der auch in Anspielung auf seinen Namen als deutscher „Stamm-Vater“ der Bodenreform bezeichnet wird. Stamm machte Flürscheim auf die Veröffentlichung „Fortschritt und Armut“ des amerikanischen Nationalökonomen Henry George aus dem Jahr 1880 aufmerksam. Letzterer sieht als Grund für die hohe Armut in der Weltstadt New York die ungleiche Landverteilung. Michael Flürscheim verschlang das Werk ebenso wie die Schriften seines Arztes Theodor Stamm.

Bereits 1884 veröffentlichte der 41-jährige Michael Flürscheim sein umfangreiches Werk „Auf friedlichem Wege“ mit immerhin 394 Seiten. Damit wollte er nach eigenen Angaben zunächst „das Populärste aus Georges Buch dem deutschen Publikum vorführen, um weitere Kreise für die große Idee zu begeistern.“ Doch mitten im Schreiben kommen ihm Zweifel an der Richtigkeit der Theorien seines Vorbildes. Während George das Eigentum am Boden als „gestohlenes Gut“ betrachtete, das ohne Entschädigung an die Allgemeinheit zurück zu geben sei, plädierte Flürscheim als Opportunist für eine Entschädigungslösung. Der Staat sollte den Besitzern den Boden abkaufen und dies durch Schuldverschreibungen finanzieren. Die positive Entwicklung des Bodenwertes und die Einnahmen aus der Verpachtung würden rasch zu einer Amortisation führen.

Im Gegensatz zu seinen ursprünglichen Vorbildern hält er es für besonders wichtig, auch die Arbeiterschaft für seine Ideen zu begeistern. So schreibt er im „Badischen Landboten“ verschiedene Aufsätze. Er geht dabei sogar so weit, 1886 und 1887 seine Zukunftsvisionen in einen utopischen Fortsetzungsroman mit dem Titel „Deutschland in 100 Jahren – Die Galoschen des Glücks“ zu veröffentlichen. Er kommt darin unter anderem zu dem Ergebnis, dass eine Stunde Arbeit pro Tag ausreichen müsste, um alle Bedürfnisse befriedigen zu können, wenn auch die Müßiggänger Hand anlegen würden. Er prangert mit Beispielen massiv die damals unvorstellbaren Zustände der arbeitenden Bevölkerung in den Großstädten an und entwickelt Ideen, wie eine zukünftige Gesellschaft leben kann.

Plädoyer für das Frauenwahlrecht

In seiner Schrift „Deutschland in 100 Jahren – Die Galoschen des Glücks“ ist es als Zukunftsvision auch zu lesen: „Seit es für Jeden leicht ist, auf irgendeinem Felde lohnende Arbeit zu finden, fällt es den Männern nicht mehr ein, gewisse Arbeitsgebiete für sich allein zu beanspruchen. Jede Frau kann ihre Kraft da betätigen, wo sie dies will und mag.“ Und später wird die Frage gestellt: „Sind denn die Frauen auch stimm- und wahlberechtigt?“ – „Freilich, und die Würde der öffentlichen Versammlungen, die Staatsleitung, hat Nichts dabei verloren. Im Gegenteil hat sich der allgemeine öffentliche Ton sehr verfeinert.“ Um diese Vision einordnen zu können: Erst 30 Jahre später wurde in Deutschland das Frauenwahlrecht eingeführt.

Die vielen Veröffentlichungen und Vorträge ließen sich bald nicht mehr mit der Leitung der Gaggenauer Eisenwerke vereinbaren, und so schied Michael Flürscheim im Jahr 1888 aus. Von den neuen Aktionären erhielt er ebenso wie Theodor Bergmann eine Million Goldmark. Sein Geld legte Flürscheim teilweise in Hamburger Mietshäuser an, um mit deren Einnahmen seine zukünftigen Projekte der Bodenreform und des Genossenschaftswesens zu finanzieren. (wird fortgesetzt)

Vereine und Konsumgüter

„Zur Hebung, Förderung und Veredlung der heimischen Gewerbe und Industrie und der Lebensstellung der durch dieselben beschäftigten Arbeiter“ gründet Michael Flürscheim einen Gewerbeverein. Im Mittelpunkt stehen das gesellige Beisammensein, aber auch die Fortbildung der Arbeiter, zum Beispiel durch Vorträge oder das Angebot einer Bibliothek. Aus einer Gesangsgruppe geht der spätere Gewerbe-Gesang-Verein hervor. Den Lehrlingen und Gesellen „wird Gelegenheit geboten, sich im Zeichnen, der Projektionslehre und Geometrie auszubilden und zu vervollkommnen“ – ein Vorläufer der Gewerbeschule.

Speisesaal  Ende des 19. Jahrhunderts

Der Genossenschaftsgedanke fasziniert Flürscheim bereits damals, und so gründet er als Drittes einen Konsumverein, um den Mitarbeitern preiswerte Nahrungsmittel und andere Waren des täglichen Bedarfs anbieten zu können.

 

 

Speisesaal aus der Nähe

 

Gegen erheblichen Widerstand setzt er es 1883 durch, dass auch in dem kleinen Industriedorf Gaggenau ein Wochenmarkt abgehalten wird, um den Bedarf an frischen Lebensmitteln, Eiern, Butter, Obst und Gemüse zusätzlich zu decken. Flürscheim ist 1878 Gründungsmitglied der Freiwilligen Feuerwehr Gaggenau, deren Rechner und Schriftführer. Nachdem diese Wehr rasch anwächst, kommt 1880 eine eigenständige Freiwillige Feuerwehr der Eisenwerke hinzu. Der werkseigene Turnverein nimmt erfolgreich an auswärtigen Preis- und Schauturnen teil. Er wächst rasch an, und so kommen die ersten Gedanken zum Bau einer Halle, der späteren Jahnhalle, auf.

Arbeiter-Wohnhaus für eine Familie

Das Werk baut eine Anzahl „schöner, geräumiger und gesunder Wohnungen“, bei denen auf das „Einzelwohnen“ besonderen Wert gelegt wird, „da das Einzelwohnen und das dadurch erweckte Bewusstsein, ein eigenes Häuschen zu besitzen oder erwerben zu können, seine natürliche Wirkung nicht verfehlt“ – so eine Firmenschrift.

Ein Utopist und Kämpfer für die Bodenreform

Michael Flürscheim – der deutsche Henry George

Als 1888 die Eisenwerke Gaggenau in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurden, leitete sie fortan Theodor Bergmann als alleiniger Direktor. Dies allerdings wenig erfolgreich, denn er musste 1893 das Werk verlassen, nachdem er den Aktionären wiederholt keine Dividende hatte zahlen können, wie neuere Recherchen belegen. Doch Bergmann hatte im wahrsten Sinne des Wortes „vorgebaut“.

Durch seinen Bruder Joseph Bergmann und seinen Meister Max Roth, dem späteren Fabrikanten, hatte er auf Ottenauer Gemarkung bereits ab 1888 eine Sägemühle ausbauen und daneben Werkstätten errichten lassen. So konnte Bergmann 1894 dort seine eigenen Industriewerke errichten, aus denen später die Benzwerke Gaggenau hervorgingen.

Michael Flürscheim geht nach dem Ausscheiden aus den Gaggenauer Eisenwerken auf Vortragsreise durch Deutschland und das benachbarte Ausland. Er hatte sich in kurzer Zeit umfassende Kenntnisse der Nationalökonomie angeeignet, was ihn befähigte, sich in Diskussionen auch mit „Hochgelehrten“ erfolgreich auseinanderzusetzen. Als er 100 Männer gefunden hatte, die sich für seine Ideen begeisterten, gründete er im Oktober 1888 in seiner Heimatstadt Frankfurt am Main den „Bund der deutschen Bodenbesitzreformer“. Der Bund finanziert sich durch Spenden – insbesondere von Flürscheim. Unter den vielen bekannten Persönlichkeiten ist beispielsweise Ernst Abbe, der Gründer der Zeiss-Stiftung.

Wegen seiner jüdischen Abstammung verzichtet Flürscheim allerdings im Interesse der Sache, den Vorsitz des Vereins zu übernehmen und wird Schriftführer. Dies betrifft insbesondere das Vereinsorgan „Deutsch Land“, das in der Folgezeit die Titel „Frei Land“, „Deutsche Volksstimme“ und „Bodenreform“ erhält. Der anfangs eher nationalistische Ton wird bald international, was zu Spannungen führt. Der Bundesvorsitzende Heinrich Freese berichtete später: „Wir standen alle auf dem Boden der Heimat, Flürscheim dagegen war Kosmopolit.“ Flürscheim wollte die Bodenreformbestrebungen nicht auf Deutschland beschränkt wissen.

1889/90 gibt die Familie Flürscheim ihren Wohnsitz in Baden-Baden auf und begleitet das Familienoberhaupt auf den Vortragsreisen in Deutschland, Frankreich, Italien und England. Über seinen Vortrag 1889 in Paris berichtet sogar die New York Times und bezeichnet ihn als „Germany’s Henry George“.

Als der „Bund der deutschen Bodenbesitzreformer“ die Bodenverstaatlichung aus seinen Zielen und Statuten streicht, scheidet Flürscheim aus und verlässt Deutschland, um 1892 mit seiner Familie eine Villa in Lugano-Castagnola zu beziehen.

Bereits ein Jahr später wird er als Vermittler von den Siedlern einer Warenkolonie ins westliche Mexiko gerufen. Ein Vermittlungsvorschlag wurde von den beiden zerstrittenen Parteien zunächst angenommen. Dieser beinhaltete neben dem gemeinsamen Bodenbesitz auch den gemeinsamen Handel. Warengeld sollte ausgegeben werden. Doch dann scheiterte der Versuch doch noch und Flürscheim hatte nicht nur Zeit und Kraft, sondern auch viel Geld umsonst eingesetzt. Auch in Europa gelingt es ihm anschließend nicht, seine Warengeld-Idee erfolgreich umzusetzen. Um ein Zeichen zu setzen, hatte er sogar englischen Kohlearbeitern die Einrichtung eines Kohlebergwerks gekauft, um mit ihrer Kohle die Basis für ein Warengeld zu schaffen.

Warentausch ohne Geld und Zinsen

1895 stirbt seine Frau Amalie mit 43 Jahren. Immer noch von der Idee des Warengeldes fasziniert, gründet er 1898 in Neuseeland eine Warentauschbank, eine Vereinigung von Produzenten und Händlern auf der Basis eines Gegenseitigkeitskredits. Ein Handel ohne Geld und Zinsen sollte möglich werden.

In Neuseeland heiratet Michael Flürscheim 1899 seine zweite Frau Margarita Trommer. Im gleichen Jahr werden Heddie, zwei Jahre später Mary Hildegard und 1905 Michael junior geboren. Insgesamt hat Flürscheim sieben Kinder.

Michael Flürscheim

Doch auch das Neuseeland-Projekt scheitert. Und so zieht Michael Flürscheim mit seiner Familie nach Kalifornien und schreibt dort 1909 „Not aus Überfluss“. Das Vorwort muss er an seinem Arzt vorbeischmuggeln, denn nach Fertigstellung des Werks erleidet er einen Schlaganfall und erhält von ihm daher ein Schreibverbot auferlegt.

Aus dem Vorwort ist zu erkennen, dass Flürscheim die Hoffnung nicht aufgegeben hat, dass die Saat seiner Schriften später einmal aufgeht. Noch 1909 zieht er nach Lugano-Castagnola und zwei Jahre später nach Berlin. Hier stirbt er am 24. April 1912. Aus einem Nachruf ist zu erkennen, dass er zwischenzeitlich den evangelischen Glauben angenommen hatte.

Michael Wessel

Erstveröffentlichung 2012 im Badischen Tagblatt

 Literaturempfehlung:

Günter Bartsch: Freiheit und Gerechtigkeit – Enzyklopädie des Liberalsozialismus – Lütjenburg, 2006

 

 

 

 

 

 

 

2 Gedanken zu „Biographie Michael Flürscheim – Industriepionier und Sozialreformer

  1. This is the most detailed description of Flurschiem’s earlier life that I have seen. But it badly lacks his later ideas about monetry reform, his banking projects and the elimination of interest. This change was related to the introduction of the Single Tax of Henry George, which Flurschiem was a great supporter.

  2. Hier liegt der Schwerpunkt beim Leben und Wirken von Michael Flürscheim in seiner Gaggenauer Zeit. Sein Lebenswerk hat Günter Bartsch hervorragend beschrieben (Literaturempfehlung oben).

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