Das Badische Tagblatt veröffentlichte am 17. 10. 2015 den folgenden Beitrag:
„Illustrirtes Preisverzeichniss“ der Eisenwerke Gaggenau aus dem Jahr 1888 offenbart ein Kabinett der Kuriositäten
Von Michael Wessel
Die Eisenwerke Gaggenau, sie sind schon lange Geschichte. Die unzähligen Produkte, die dort hergestellt wurden auch. Doch findet sich so manches Kuriosum darunter. Zum Beispiel eine zerlegbare Kegelbahn.
Die Eisenwerke waren von 1873 bis 1888 – also in nur 15 Jahren – von einem kleinen Hammerwerk mit 40 Mitarbeitern zu einem international bekannten Industriebetrieb mit über 1000 Mitarbeitern angewachsen. Eine rasante Entwicklung, die auch dazu führte, das Unternehmen im November 1888 rückwirkend zum 1. Januar in eine AG umzuwandeln. Die Gründung der Aktiengesellschaft wurde auch zum Anlass genommen, ein umfangreiches ledergebundenes „Illustrirtes Preisverzeichniss“ herauszugeben. Gefertigt in der eigenen Buchdruckerei und mit Goldschnitt versehen. Es dokumentiert das extrem breitgefächerte Produktionsprogramm vom Aschenbecher bis hin zu stationären Motoren und stellt somit ein wertvolles Zeitdokument dar.
Bis 1888 hatten Michael Flürscheim und Theodor Bergmann die Eisenwerke geleitet. Beide Inhaber ließen sich von den Aktionären ausbezahlen, und Theodor Bergmann leitete fortan alleine den Betrieb. Er war allem Neuen gegenüber aufgeschlossen, firmierte auch als „Etablissement für Neuheiten“ und so fanden Erfinder bei ihm meist ein offenes Ohr.
Dass dies Probleme mit sich bringen kann, macht das Preisverzeichnis deutlich: Produziert wurden einerseits profane Artikel des täglichen Gebrauchs wie Tischtuchklemmen oder Verschlüsse für Flaschen und Gläser und andererseits Präzisionsgewehre oder hochwertige Drehbänke. Und all das meist in unterschiedlichen Materialien und mit verschiedenen Oberflächen. Dies hatte zur Folge, dass das Preisverzeichnis über 1200 Positionen aufweist. Einige Artikel geben Anlass zum Schmunzeln.
So wird in der Abteilung „Holzwaarenfabrikation“ die zerlegbare „Gaggenauer Patent-Kegelbahn Rigi“ mit ansteigender Lauffläche angeboten, die laut Beschreibung bei zehn bis 13 Metern Länge eine vergleichbare Wirkung erzielte wie eine Kegelbahn der doppelten Länge. Unter den abgedruckten Referenzschreiben ist eines von Ferdinand Seitz, Besitzer des Gasthofs zum „Engel“ im Luftkurort Michelbach: „Die Kürze des Kegelraumes von nur 11 Meter bietet die große Annehmlichkeit, dass man die Kegel besser übersehen kann als sonst. Nach meiner Überzeugung wird Ihre neue Patent-Kegelbahn, soweit sie erst mehr bekannt ist, die alten Bahnen vollständig verdrängen, da meine Gäste selbst sagen, sie möchten nicht mehr auf einer langen Bahn kegeln.“ Er sollte nicht recht behalten.
Die Abteilung „Holzwaarenfabrikation“ bietet auch Leitern mit Sicherheitsgeländer, Behälter und Tisch an. Aus der Eisengießerei wird ein „Signal-Sicherheitstrichter“ angeboten, bei dem ein Luftstrom einen Pfeifton erzeugt, wenn der Behälter voll ist: „So können selbst an den dunkelsten Orten Flaschen gefüllt werden, ohne dass dieselben überlaufen“.
Bei einer Sammelbüchse mit Eichhörnchen ist zu lesen: „Diese neue Sammelbüchse dient ausser ihrem eigentlichen Zweck auch als Cigarrenabschneider. Legt man ein Geldstück auf die Pfoten und drückt auf den Busch, dann führt das Eichhörnchen dasselbe zum Mund und dort fällt es in die am Fusse angebrachte Kasse.“ Ebenfalls angeboten werden „Patent-Hosenstrecker“ für die Reise oder ein „Migrainestift in hochfeiner Ausführung zum Anhängen an Uhrketten oder Armbänder“: „Der Migrainestift selbst enthält garantirt reines Menthol und ist bei Kopfschmerzen von stärkster Wirkung“. Patentiert wurde auch ein automatisch schließendes Tintenfass, „wodurch die Tinte immer rein bleibt und nicht austrocknet“ – in acht Ausführungen.