Der Flürscheimweg von der Wolfsschlucht nach Gaggenau

1880 trat Theodor Bergmann in die Eisenwerke Gaggenau ein und wurde 1884 Teilhaber. Im Jahr 1951 hat Willi Echle anlässlich der 25. Wiederkehr des Todestages von Bergmann – er starb 1931 – im Auftrag der Stadt Gaggenau eine Biographie geschrieben, die an alle Haushalte verteilt wurde. Darin heißt es zu Michael Flürscheim unter anderem:

„Flürscheim wohnte mit seinen Schwiegereltern in Baden-Baden. Von dort wanderte er täglich, von einem großen Bernhardinerhund begleitet und gezogen, über die Paßhöhe der Wolfsschlucht und auf einem von ihm angelegten Pfad, den die alten Gaggenauer heute noch den Flürscheimweg nennen, zur Bückelforsthöhe und nach Gaggenau, ein Weg von über zwei Stunden. Abends wanderte er auf demselben Weg wieder zurück.

Wer hat heute, drei Menschenalter später, noch die Zeit für ein solches Wandern und ebenso Zeit für das Überlegen und das Reifenlassen von Gedanken und Plänen des Herzens in der freien Natur!“

Inzwischen sind  zwei weitere „Menschenalter“ vergangen und es fällt wohl noch schwerer, diese täglichen Wanderungen einzuordnen. War Flürscheim doch als Fabrikbesitzer gefordert und kämpfte zudem für die Bodenreform durch das Schreiben von Büchern und Aufsätzen. Aber die Gedanken dazu reiften wohl bei den täglichen Wanderungen.

Postkarte von Michael Flürscheim

Bei eBay wurde im April 2012 eine Postkarte mit einer knappen Beschreibung und einem Bild des Anschriftenfeldes angeboten: „524041) DR Groschen GS mit K1 Stpl. Gaggenau“. Als Adressaten waren die Herren Keilbach & Hurst in Schwetzingen zu erkennen.

Wer hat wohl diese alte Karte zur „Kreuzer-Zeit“ geschrieben? Sollte der Absender erfragt werden?

Doch die Karte kostete im Sofortkauf nur 3,99 Euro plus 90 Cent für Versand. Also wurde sie bestellt.

Die Freude war groß, als die Karte kam, denn der Absender-Stempel lautete „MICHAEL FLÜRSCHEIM EISENWERKE GAGGENAU“ und Michael Flürscheim hatte sie am 18. September 1874 geschrieben oder zumindest selbst unterschrieben.

 

 

Michael Flürscheim im Internet

Wenn Sie mehr über Michael Flürscheim oder die Bodenreformbewegung erfahren wollen, dann empfehlen wir Ihnen die folgenden Links:

http://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Flürscheim (Portrait und weitere Quellen

http://www.deutsche-biographie.de/sfz16515.html (Biographie MF und Literatur)

http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/onken/mokonk.htm (Bodenreform)

http://de.wikipedia.org/wiki/Bodenreform_in_Deutschland (Bodenreform)

http://www.ieeeghn.org/wiki/index.php/Oral-History:Charles_Flurscheim (Charles Flurscheim)

 

 

Der Name Flürscheim

Das Archiv der Yale Universtiät verwahrt einen Stammbaum, der auch die Entwicklung des Namens von Flörsheim bis Flürscheim erklärt.

  1. Loeb aus Flörsheim, verheiratet 1680, verstorben in Frankfurt 1743
  2. Amschel Löb Flörsheim, verheiratet mit Golche Ochs, verstorben in Frankfurt 1755
  3. Moses Amschel Flörsheim, verstorben in Frankfurt 1787
  4. Michael Moses Flürsheim, verheiratet mit Johannette Flürsheim, verstorben 1828
  5. Amschel Michael Flürscheim, verheiratet mit Helene Rindskopf, verstorben 1849
  6. Bernhard Flürscheim, verheiratet mit Betty Hahn und später Sara Gundersheim, verstorben 1868 (der Vater von Michael Flürscheim)

Von der Gemeinde Flörsheim am Main, wo der Erstgenannte offensichtlich herstammt, kommt von Dieter Darmstadt folgende Aussage:

„Flörsheim ist wie alle Gemeinden am Untermain fränkischen Ursprungs,

so in der Zeit um 500 n.Chr.

Deshalb gibt es viele Ort mit der Bezeichnung „-heim“, in Bezug auf sein

Zuhause, seine Bleibe. Urkundlich erstmal errwähnt wird Flörsheim um das Jahr 828 als „Flaritesheim“. Der Name wandelt sich in Flerscheim, V/Flersheim bis in der Neuzeit Flörsheim daraus entwickelt.

Dieser Name soll sich auf einen fränkischen Edlen namens „Flarido“ beziehen, also das Heim, das Dorf das Flarides.“

Die Bunker am Amalienberg zwischen Gaggenau und Ottenau

Mit der Überschrift „Wo Pioniere, Benzler und Häftlinge schufteten“ veröffentlichte Manfred Reufsteck am 9. April 2013 einen Bericht über den Bau der Luftschutz-Stollen am Amalienberg:

Viele Leser konnten sich bis zur Veröffentlichung des Stollen-Grundrisses (BT vom 9. März 2013) nicht vorstellen, welche Größe und wie viele Einzelstollen diese Gesamtanlage hat. Noch weniger war bisher bekannt, unter welch schwierigen Bedingungen und von welchen Personengruppen dieser Stollen gebaut wurde. Mit dem heutigen Beitrag soll versucht werden, wiederum aus der Vielzahl von Zeitzeugen-Aussagen, hierzu in groben Zügen eine Gesamtaussage zu machen.Amalienberg Foto innen

April 1944: Otto Seubert (vorne Mitte) mit Kameraden beim Bohren der Sprenglöcher in einem der Seitenstollen. Zwei Dreiergruppen arbeiteten bei spärlicher Karbidlampen-Beleuchtung (links) ohne Kopfschutz, ohne Atemschutz, ohne Gehörschutz. Fotos: Archiv Seubert

Gebaut wurde der Amalienbergstollen im Kriegsjahr 1944, als es immer wahrscheinlicher wurde, dass auch Gaggenau mit seinem Lkw-Werk der Daimler-Benz AG Ziel alliierter Luftangriffe werden wird.

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Geschichte der Eisenwerke Gaggenau

1683           Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden verpachtet das neu erbaute Gaggenauer Hammerwerk (Eisenschmelze, Hammerwerk und Nagelschmiede) an Hauptmann Adam Ernst von der Dekhen

Produktion: Schmiedeeisen und Nägel

Im 18. und Anfang des 19. Jh. erfolgt bei wechselnden Besitzverhältnissen und Schwierigkeiten bei der Eisen- und Holzbeschaffung die Erweiterung des Produktionsprogramms

1801           Louis Görger kauft das markgräfliche Eisenwerk

1840           nach seinem Tode übernimmt sein Schwiegersohn Anton Klehe das Werk

Gaggenauer Eisenhammer um 1840 – Lithographie

1848           übernimmt sein Sohn Louis Klehe das Werk mit mittlerweile 40 Mitarbeitern und baut es weiter aus

1852           Errichtung der ersten Gießerei mit Kupolofen im Murgtal

1858           Inbetriebnahme eines durch Wasserkraft der Murg betriebenen Walzwerkes

Einrichtung von Dreherei, Modellschreinerei und Montagewerkstätten.

Produkte sind landwirtschaftliche Maschinen (Pflüge, Eggen), die aus eigenem Rohstoff hergestellt werden.

1873           Michael Flürscheim und Franz Korwan kaufen am 1. Februar das Eisenwerk von Ludwig Klehe

Firmenname: „Korwan und Flürscheim Eisenwerke Gaggenau bei Rastatt“ (vormals Louis Görger)

Neue Produkte: Eisenkonstruktionen, Brücken, Geländer, Gasregulatoren, Schrot- und Farbmühlen

Am 17. 12. des gleichen Jahres scheidet Franz Korwan krankheitsbedingt aus. Er verstirbt zwei Monate später

1874 – 1891           Besondere soziale und fortschrittliche Betriebseinrichtungen

Krankenkasse für Arbeiter, Angestellte und deren Familien, Unterstützungskasse, Arbeiter-Sparkasse, Konsumverein, Speiseanstalt, Feuerwehr, Gewerbeverein, Turnverein, Gewerbeschule, Arbeiterwohnungen (heute Theodor-Bergmann-Straße)

1878           Aufnahme der Produktion von Luftpistonen (später Firmenzeichen) für die im Februar 1879 ein Patent an Michael Flürscheim erteilt wird.

Eisenwerke Gaggenau um 1891

1880           Theodor Bergmann, ein Herdfabrikant aus Konstanz, tritt in die Firma ein.

Emailierwerk, Stanzerei, Vernickelungsanstalt, Buchdruckerei, Schreinerei und Kunstgießerei werden eingerichtet. Neues Produkt: Badenia-Fahrräder

150 Mitarbeiter

1884           Bergmann wird Teilhaber. Firmenname: „Eisenwerke Gaggenau, Flürscheim und Bergmann“

1886           Das erste Gaggenauer Automobil soll hergestellt worden sein; vermutlich handelte es sich um einen lenkbaren Dampfwagen, der durch eine kleine Dampfmaschine betrieben wurde

608 Mitarbeiter

1887           Die Eisenwerke erhalten Großaufträge für Reklameschilder der Weltfirmen Stollwerck (Köln), Maggi (Singen), Odol (Dresden) und Tobler (Schweiz)

Bau der ersten Gasfabrik

1888           Die Eisenwerke werden zu Jahresbeginn eine Aktiengesellschaft. Michael Flürscheim scheidet aus. Alleiniger Firmenleiter ist Theodor Bergmann

1041 Mitarbeiter

1891           Das Produktionsprogramm umfasst rund 200 alphabetisch aufgelistete Erzeugnisse; sie reichen vom Armleuchter bis zur Zierkanne.

Haupterzeugnis des Emailierwerks: „Gaggenauer Email-Majoliken“

Theodor Bergmann, der Ende der 80er Jahre in Ottenau zahlreiche Grundstücke erwarb und darauf bereits Firmengebäude erstellte, scheidet zum Jahresende aus und macht sich selbständig.

1894           Adolf Steffen wird Direktor

Einschränkung der Produktionspalette (u. a. wird die Waffenproduktion eingestellt). Es werden hauptsächlich Fahrräder, Gasherde und Gaskocher produziert.

1910/1911           Ankauf des Firmengeländes der ehemaligen Glashütte Gaggenau

Neubau einer modernen Gießerei

1928           Stilllegung der AG als Folge der Weltwirtschaftskrise

1931           Wiedergründung der Eisenwerken als GmbH unter dem neuen Inhaber Dr. Otto von Blanquet

Spezialisierung auf Kohle- und Gasherde

Neuer zusätzlicher Produktionszweig: Elektroherde und Großküchenanlagen

1939 – 1945           Teilweise Umstellung auf Rüstungsproduktion

1944           Fast alle Werksanlagen werden am 10. September durch den Bombenangriff auf die Stadt Gaggenau zerstört

1948           Erweiterung und Modernisierung der ursprünglichen Produktionspalette:

Kohlen-Sparherde, Gas-Sparherde, Elektro-Vollherde Modell „Favorit“ und „Fortuna“

180 Mitarbeiter

1962           Die gesamte Werksanlage wird auf das Areal der früheren Glashütte verlegt. Zusätzliche neue Produkte: Küchenlüftungs-, Kücheneinbau- und Heizungsgeräte

Ausbau des Vertriebs durch Tochtergesellschaften in Europa

1975           Umbenennung der Firma in „Gaggenau-Werke, Haus- und Lufttechnik GmbH“

1989           Die Produktion der Gaggenaue-Werke wird in zwei neu errichtete Hallen in Bad Rotenfelser Gewann Wissigfeld verlagert

1994           Übernahme der Gaggenau-Werke zum Jahresende durch die Bosch-Siemens-Hausgeräte GmbH, München

1997           Die Gaggenau-Werke verlagern die Entwicklung und Produktion ins elsässische Lipsheim. Der Vertrieb verbleibt zunächst in Gaggenau

2002           Zum Jahresende wechselt der Vertrieb nach München

2003           „Die Genussakademie“ verbunden mit Ausstellungsräumen der Gaggenau-Küchen wird eingerichtet

Quelle u. a.:

„Theodor Bergmann zum 150. Geburtstag“, Herausgeber: Stadt Gaggenau, Bearbeitung: Stadtarchiv Gaggenau, Mai 2000 und Recherchen von Michael Wessel

Entnommen der Schrift: „Eisenwerke Gaggenau AG“ – Nachdruck einer Broschüre aus dem Jahr 1891. 2009 erschienen im BadnerBuch Verlag, http://www.badnerbuch-verlag.de

Portrait der Eisenwerke Gaggenau von 1891

Drei Jahre, nachdem Michael Flürscheim die Gaggenauer Eisenwerke verlassen hatte, um sich ganz der Verbreitung seiner Ideen zur Bodenreform zu widmen, stellte sein früherer Teilhaber Theodor Bergmann die „Eisenwerke Gaggenau AG“ in einer äußerst interessanten Schrift vor.

Ausführlich werden die einzelnen Produktionszweige mit Texten und Holzschnitten vorgestellt. Noch interessanter ist aber der soziale Teil. Hier wird deutlich, welche außergewöhnlichen Leistungen den Mitarbeiter gewährt wurden. Sie gehen auf die Initiative von Michael Flürscheim zurück.

Der Nachdruck ist erhältlich im BadnerBuch Verlag Rastatt: http://www.badnerbuch-verlag.de


 

Michael Flürscheim 1889 in der New York Times

Die New York Times schrieb am  21. Juli 1889:

GERMANY’S HENRY GEORGE

HERR MICHAEL FLÜRSCHEIM AND HIS LAND THEORIES.

BUSINESS HE HAS GIVEN UP IN ORDER TO ADVANCE THEM – WHY HE WOULD ABOLISH INTEREST.

In Paris recently was held an international congress on the land question, and one of the influential persons present was Michael Flürscheim, who was been called the Henry George of Germany. Formerly Flürscheim was a manufacturer, but he has converted his business into a company so as to be relieved of the care of it, and is said to devote his time entirely to advocating land nationalization. He is the editor of a newspaper wich supports this theory and has written several books on the subject, including a story, „German One Hundred Years Hence,“ on the lines of Edward Bellamy’s „Looking Backward.“ His followers belong to the middle and intellectual classes.

 

Mr. Flürscheim some weeks ago submitted to an appealing interviewer and said: „Our movement is international. Germany, Austria, Holland, and Switzerland are united by societies. Our first society, with 200 members, was formed at Frankfort-on-the-Main last year.

Since that time I have lectured throughout Germany, Switzerland, and Holland, and the movement is growing rapidly. In Germany the land question is a far more complicated one than in England or America. In the North, and especially in Prussia, there are large propietors who do not let their land to farmers, but farm it themselves with stewards and laborers. In the South peasant proprietors own most of the land, and the morceliement is in many cases excessive. Only about a fifth of the land in Germany is worken by tenapts. Much of the land is mortgaged. We have an indebtedness of 40 per cent, on the land. The principal cause of this is the law of inheritance. One brother takes the and and the other members of the family receive mortgages on it, which they sell to some capitalist. Another cause is that people by land when they have not sufficient money to pay for it, and the least cause is agricultural depression.“

 

„Have you a tax on land?“ he was asked. „Yes, but it is not very considerable. It is regarded as a confiscation of ground rent. When a land tax was imposed in Prussia in 1864 the proprietors were compensated to the extent of twenty times the value. But this does not prevent them agitating to get rid of the tax.“

 

„What are your practical proposals for taking over the land?“ – „We want the State to begin first by estimating the value of all the land. We would then give the State the right or purchase at the actual assessed value by the issue of Government bonds. The first thing hat would happen would be the increase of land and the poductiveness of land. But the second and more important thing is that interest will go down. There would soon be no mortages, which is not interest at all, but disguised rent, would go down. There would soon be no mortages, no Government securities, no railroad or mining securities, for the State onc in possession of all rents, would soon have no more debts, would own all the railroads and all mines, just as the towns, by getting theire share of rents, would own their gas and wather works, tramways, and city railways. In less than twenty-five years the whole debt incurred by the State in purchasing the land would be paid back, and it would be the full owner of the ground rent. We differ, you see, from English and American land nationalizers. We compensate the owners. The question would never advance in Germany by any other method. We would not get the nobility to help us, nor the enlightened part of the nation. No workingmen belong to our societies. Our supporters are manufacturers, professors, writers, teachers, merchants, and business men. In this way we will get the support of the enlightened part of the people. That is how we will advance. If the land were taken possession of by revolution there would be reaction. Franc never went further than the enlightened part of the nation.The rabble went further, but it went back again.“

 

„I gather that your proposal would ultimately abolish all capital and interes as at present understood?“ remarked the reporter. „Quite so; and it is there that Mr. George and I differ. He attributes commercial depressions to speculative land values. But raw materials, which is what land supplies to industry, are never cheaper than in times of commercial depression. Fortunately Mr. George’s proposals will go a great deal further than he thinks.“

 

„Please develop your theory.“ – „The solution of the social question after the land belongs to the State will come about through the cheapening of capital. Being unable to invest capital in land, you will finally get no real interest for capital. Land only gives the accumulated power for security of investment. Let us take an illustration of how the system works now. The Rothschild family, for instance, are worth 5.000.000.000 marks. Their incom is 200.000.000 marks. They cannot get this income unless somebody works for it. If they got it in goods we should have a social question of the Middle Ages, not a social question of to-day. That immense amount of goods would go to waste. But Rothschild doesn’t want the goods. He only buys goods worth twenty millions, but extracts the rest – one hundred and eighty millions – as a tribute from the working classes. The increasing gulf between production and consumption thus goes on. A European war might do some good for a few years, afterward „the Rothschilds“ would be richer and the workers worse off. But Rothschilds could not exist exept for private property of land. Land nationalization will do a way not only with rent, but interest as well. When the people consume just as much as they produce there will be no room for Rothschilds. The capitalists will have to eat their capital and will no longer be able to extort tribute wich they could not use for consumptive purposes. There will still be capital, but it will have to be converted into the real instruments of production, and then instead of interest the capitalists will only get a premium of risk. Rothschilds cannot exist on a premium of risk.“

 

Mr. Flürscheim admits that his scheme for the abolition of interest must be international in order to be successful.

Michael Flürscheim

Michael Flürscheim (* 27. Januar 1844 Frankfurt am Main; † 24. April 1912 Berlin) war ein Bankfachmann, Industrieller und Ökonom, der sich insbesondere für seine Schriften und Initiativen zur Bodenreform international einen Namen gemacht hat.

Als Sohn einer jüdischen Frankfurter Kaufmannsfamilie erlernte Flürscheim das Bankgeschäft und suchte ab 1867 in den USA sein Glück, das er auch fand, denn rasch kam er zu Ansehen und Reichtum. 1872 kehrte er nach Deutschland zurück, und kaufte zum Februar 1873 mit seinem Kompagnon Franz Korwan in Gaggenau ein kleines Hammerwerk mit 40 Mitarbeitern.

Noch im Gründungsjahr schied Korwan krankheitsbedingt aus und Flürscheim führte die „Eisenwerke Gaggenau“ alleine weiter. Er ergänzte die Produktion landwirtschaftlicher Maschinen um eine Metallwarenfabrik, eine Werkzeugmaschinenfabrik und eine Sägemühle. Beispielhaft war sein soziales Engagement für die Mitarbeiter. Er bot eine Arbeiterkrankenkasse, einen Speisesaal, eine Consumanstalt, einen Gewerbeverein und vieles mehr an. Er verstand sich dabei als Sozialist der Tat.

Mit seinem zweiten Teilhaber Theodor Bergmann entwickelte sich das Werk ab 1880 rasant weiter und hatte bereits acht Jahre später bei Umwandlung in eine Aktiengesellschaft mehr als 1000 Mitarbeiter.

Hausarzt Dr. Theodor Stamm infizierte ihn Anfang der 1880er Jahre mit seinen Gedanken zur Bodenreform und denen von Henry George so sehr, dass Flürscheim bereits 1884 mit „Auf friedlichem Weg“ sein erstes umfangreiches Werk zur Bodenreform veröffentlichte.

1888 schied er aus den Gaggenauer Eisenwerken aus, um sich fortan weltweit ganz der Verbreitung seiner Ideen und Visionen zur Bodenreform zu widmen. Dieser enorme persönliche und finanzielle Einsatz war allerdings nicht von Erfolg gekrönt. Seine 15 Gaggenauer Jahre waren jedoch für die industrielle Entwicklung der Region ein Glücksfall.

Eine Fußgängerbrücke in Gaggenau, die zum Gelände der früheren Eisenwerke führt, wurde 1982 „Flürscheimsteg“ benannt.